Es rattert und
knattert und Tag für Tag jagt der Zug auf den endlosen Horizont zu. Sibiriens
weiten verschlingen die Zeit, zähmen den Willen und lassen alle Gefühle ins
Unwirkliche schlittern. Wie durch einen Schleier hindurch sucht der Geist sein
Bild in den unendlichen Weiten.
Es ist nunmehr 4 Tage
her als unsere Gruppe von acht Studenten Zürich Hauptbahnhof verlassen hat.
Unser Ziel ist Tokyo, wo das jährliche treffen unserer Dachorganisationen, der
World Student Comunity for sustainable development (WSC-SD) und der Alliance
for Global Sustainability (AGS) stattfindet. Unser Projekt , [Sustaintrain] ist
im Rahmen unserer Studentenorganisation [project21] entstanden und setzt sich einerseits zum Ziel
so nachhaltig wie möglich an die Konferenz zu reisen und zum anderen das reisen
selbst zu erleben, ihm einen zusätzlichen Sinn zu geben und die Reisezeit zum
erfüllenden bisweilen erleuchtenden Erlebniss zu gestalten.
Der Schlitten rast,
eine Schneewolke hinter sich ziehend auf der flachen weissen Ebene, die
klingelnden Glocken am Pferdegeschirr und der hallend Ruf des in Bärenfell
gehüllte Kutschers <Poidi, Vorwäts> erfüllen die Ruhe der umliegenden
melanchonischen klaren Natur. Der Dampf aus den Nüstern des galoppierenden
Gespann vermischt sich mit den aufgewirbelten Schneekristallen und glitzert im
strahlenden Sonnenlicht. Reihen von endlos vorbeiziehenden weisleuchtenden
Birken strahlen vor dem tiefblauen horizont. Unverletzte Natur.
...und unsere Spuren
Das melodische Rattern
des Zuges holt mich aus meinen Träumen. Anstatt des Bärenfells sorgt ein
Kohleofen für die Angenehme Wärme und des Kutschers Ruf wird durch den
schrillen Pfiff der einfahrenden Lokomotive ersetzt. Hier am Quai strömen
Russlands Babuschkas (Grossmütter) auf uns zu. Aufgrund der Tiefen statlichen
Rente müssen Sie um zu überleben sich um ein zusatzeinkommen bemühen. Ihre
Kochkünste finden hunrige dankbare Abnehmer in den Zugreisenden die auf dieser
kulinarischen Reise durch Russland die verschiedensten Spezialitäten geniessen
können. Dutzende von Babuschkas Souvenirvekäufer, Taxifahrer, Hotelangestellte,
Köche und Kontrolleure erfreuen sich entlang unser Reiseroute über unsere
Einkäufe und Ausgaben, das nachsehen hat eine Fluggesellschaft und deren
Angestellte.
Das Leben im Zug hat
etwas spezielles auf sich. Das kontinuierliche regelmässige rattern des Zuges,
das sich immer bewegende kompartement und die immer vorbeifliessenden gleichen
Landschaften wiegen die Seele in einen flüssigen Zustand. Gleich wie in der
Meditation kann sich der Geist frei vom Körper bewegen und überlegungen so
tiefgründiger erörtern. Viele anregende Gespräche mit den Reisekolegen und den
Nachbarn resultieren daraus. Die Ausführungen eines Weissrussischen Beamten
geben einen Einblick in die tägliche Realität einer Diktatur, das gespräch über
Krieg in Russland mit einem Checenen zeigt Seiten von Russland die besser
versteckt geblieben währen und zschokieren uns mit der bewussten Erkentniss,
dass hinter den kühlen schwarzen Buchstaben in den Zeitungen menschliches Leid
und Blut verborgen ist. Gemeinsame Überlegungen zur Demokratie, wie eine solche
funktioniert und zustande kommt werfen viele Fragen auf, schlagen aber auch konkrete
Lösungswege vor. Man muss Samen pflanzen wenn man eines Tages einen Baum haben
will.
Unsere Rast in Moskau
bringt uns auf den roten Platz und zeigt uns das neue Russland. Elegant
gekleidete Damen stolpern mit hohen Hacken über die historische Fläche,
schwarze Merzedes parken an ihrem Rand, bettelnd Grosmütter halten sich in
ihrem hintergrund auf,omnipräsent ist die Polizei oder ein Milizionär. Stau zu
Stosszeiten, schlechte Luft und veraltete Infrastruktur. Selten sind
Instandsetzungen sorgvoll gemacht, nie mit Liebe und Hingebung.
In Irkutsk das ältere
Russland der Freundlichkeit, kleinen rostigen PKW’s, der Legenden und des
Schamanismus um den Baikalsee, der kalten Winter und der heissen sonnigen
Sommer und der bewusstheit das die Machthaber von Moskau weit weg sind.
Liest man di
Geschichte Russlands war der Klassenunterschied immer unglaublich Gross. Die
Leibeigenschaft wurde erst in de 70er Jahren des neunzehnten Jahrhunderts
aufgehoben, einzig von 1917 bis 1991 wurde das Gefälle einigermassen
reduziert...auf kosten vieler wertvollen Eigenschaften des Vielvölkerstaats.
Durch weisse
Hügelketten gelangen wir nach Ulan Bator. In der Hauptstadt der Mongolei sind die Strassen nicht als solche
erkennbar, man warnt vor Taschendieben, eine Taxifahrt endet oft mit dem Tod,
immer mit einem kurzen Herzstillstand und doch ist etwas in dieser Stadt zu
spüren. Verbundenheit- zu seiner Umwelt. Man ist stolz auf die Unabhängigkeit,
stolz auf die Vergangenheit, und zuversichtlich für die schwierige Zukunft. Ein
Tiefreligiöses harmonisches Land das vor 70 Jahren durch die Ermordung und
deportierung von 30000 Geistlichen seines Lebensinhaltes beraubt wurde. Doch
die zähe Erde der Mongolei hat die Samen der einstigen Harmonie bewahrt und
wartet geduldig auf den Regen.
Vorbei sind die
Steppen und Wüsten der Mongolei, auf Hügelketten hinaufschleichend liegt das
titanische Werk der Menschheit, die chinesische Mauer, beschützerin des Reichs
der Mitte. In Peking wehen uns die unaufhaltsamen Wüstenwinde Sand ins Gesicht.
Der Kampf der Gigante ist in vollem Gang. Armeen von Kränen bauen in Windeseile
Wohnblöcke in den Vorstädten auf, neue Strassen erblicken täglich das Licht.
Müllhalden werden fein säuberlich unter neuem Bauland oder Landwirtschaftsland
vergraben, Bäume werden zu tausenden darübergepflanzt, während die Wüste
unaufhaltsam auf die Mauer zustürmt.
Ein Schiff bringt uns
über die Japanische Meerenge in das von Marco Polo nie erreichte Zipango. Ein
Inselreich das bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in vollständiger
Isolation von der restlichen Welt lebte bis es eines Morgens von Kanonenknall
geweckt wurde.In Tokio ist das westliche mit dem japanischen zu einem
einmaligen sonderbaren metropolen Molloch verschmolzen. Konsumismus pur, die
Wegwerfgesellschaft ohne gleichens, das dekadente Rom. Alles ist liebevoll und
sorgfältig dreifach verpackt und wird mit tiefer Verbeugung verkauft, oft kann
man sich den Nutzen der Geräte und Objekte nur schwer vorstellen, wie zum
beispiel der Automat der einem gebrauchte Schulmädchenunterhöschen im
rosafarbenen dreierpack feilschbietet.
10000 km und der
Glaube an die Zukunft
Bei durchqueren von
diesen der Schweiz so verschiedenen Welten, durch diktaturen wie Weissrussland,
Bürgerkriegsführenden Staaten wie Russland, vorbei an Ökosünden deren behebung
jahrhunderte fordern wird, durch länder wie die Mongolien die kulturell 70
Jahre unterdrückt wurden und sich heute mit wenigen veralteten Industrieanlagen
durchschlagen müssen, vorbei an Oligarchien mit ungebremstem Wachstum wie China
welche rücksichtslos die Wirtschaftsherrschaft anstreben, hidurch durch das in
feudalherrschaftlichen verhältnissen verharrende verwestlichte doch unflexible
Japan stellt sich die Frage nach nachhaltiger tragbarer entwiklung in einem
vollständig anderen Licht. Allein eine definition der Nachhaltigkeit welche
sich aus den komponenten der ökologischen, ökonomischen und sozialen
Entwicklung zusammensetzt und dazwischen auszugleichen versucht wäre auf alle
Länder anwendbar.
Die Wissenschaft
bemüht sich heutztage herauszufinden wie man verseuchte böden am besten
säubert, welcher motor weniger energie verbraucht, durch welche massnahmen die
wirtschaft und somit das BSP angekurbelt werden kann, welches Schulsystem die
besten Leute hervorbringt, welches Gesundheitsystem oder Sozialversicherung am
geeignetsten ist aber nicht mit der frage wie man den Menschen selber
Nachhaltiger macht. Die reine Symptombekämpfung indem ein nachhaltigeres
Angebot auf den Markt kommt, das vertrauen in die technologische Lösung werden
nicht genügen um den prozess der Übernutzung unserer Umwelt zu bremsen.
Will man das Problem
an der Basis beheben so muss man den Verursacher ins kreuzfeuer nehmen. Doch
den Menschen zu einem besseren zu machen war noch nie ein Kinderspiel. Respekt
der Natur, seiner Mitmenschen, statlicher Gesetzgebung und öffentlicher Infrastruktur
könne auf zwei weisen erfolgreich erzwungen werden. Erstens indem man
Polizeistaatliche Massnahmen aufstellt und hohe strafen für Vergehen ansetzt.
Zweitens indem man die Werte und Gesetze in der Gesellschaft so stark
verankert, das jegliches vergehen auf starke gesellschaftliche ablehnung stösst
und den Schuldigen durch ausschluss aus der gemeinschaft bestraft. Beide
systeme zeigen ein vergleichbares resultat. Singapoor steht für das erste Japan
für das zweite. Die Schweiz ein wenig für beide. Ein drittes System, dass
dauerhafteste, beruht auf der überzeugung jedes einzelnen Mensche richtig und
im einklang mit seiner Umwelt zu handeln. Eine solche Überzeugung erreicht ein
Mensch indem er spirituelle Überlegungen und die grundsätze der Ethik verinnlicht.
Indem er auf freiwilliger Basis bereit ist seine eigenen Bedürfnisse zu
beschränken und ein gewisses Mass an zurückhaltung und Enthaltsamkeit zu Leben.
Ein alter Ansatz –
auf den Menschen geschneidert
Sucht man nach
Institutionen die solches zu beeinflussen versuchen oder versuchten so trifft
man auf die Religionen, auf Profeten und Philosophen. Durch den Gebrauch der
Worte und durch das Vorleben von den Grundsätzen waren die Religiösen
Würdenträger, und sind es teilweise noch Heute, im Stande die menschen zu
verändern und zu beeinflussen. Doch gerade diese Institutionen die eine
positive Entwicklung der Menschheit in dieser Richtung hätten bewirken können
stellen sich als von der Machtausübung und –missbräuchen ausgehölte
Kathedralen, Moscheen und Tempeln heraus. Der Zeit nicht mehr angepasst sind
sie für die heutige liberal denkende Jugend unatraktiv geworden. Und doch
liegen ihr die Werte zugrunde die alleine im Stande sind in kurzer Zeit einen
nachhaltiger Lebenden Menschen und eine bessere, beständige Welt zu erzeugen.
Es stellt sich die Frage unter welchem Dach und mit welchem Medium die Religion
das Wort wieder uner die Menschen bringen könnte. Der inhalt muss zwar an die
heutige Realität angepasst werden, besitzt aber noch die gleiche weisheit und
gültigkeit wie vor Jahrtausenden. Das Medium wird wahrscheinlich eine
holografische Kathedrale auf dem Internett sein in der der Dalai Lama über
Allah im Garten Edens spricht.