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Studentischer Gipfel über Nachhaltigkeit in
Tokio In den Socken zum Znacht |
![]() Eine Gruppe von ETH-Studierenden (1) hat am diesjährigen Annual Meeting der World Student Community for Sustainable Development in Tokio teilgenommen. Das Projekt „climate ticket“ ist auf Interesse gestossen. Ein Erlebnisbericht zwischen Umweltdebatte und einem Kulturschock auf dem WC. Von Irene Steimen Nach 19-tägiger Reise quer durch Asien erreichen wir unser Ziel: Tokio. In einem traditionellen Hotel werden wir von vier Hotelangestellten empfangen. Als erstes müssen wir am Eingang unsere Schuhe gegen ein Paar der sorgfältig aufgereihten, hoteleigenen Pantoffeln tauschen, die wir beim Betreten des Zimmers wieder ausziehen. Der Boden ist mit Strohmatten bedeckt. Betten hat es keine; stattdessen sind an der Wand sechs Matten aufgerollt. In der Mitte des Raumes steht ein kaum fünfzig Zentimeter hohes Tischchen, an dem bereits unsere zwei Zimmergenossinnen aus Indien knien und Grüntee trinken. Zum Glück erhalten wir ein Blatt mit Ausführungen über die japanischen Bräuche und Sitten. Ein letzter Kulturschock: Sogar für die WC-Benutzung brauchen wir Instruktionen. Internationale Studenten-Konferenz Bereits am nächsten Morgen beginnt das Annual Meeting der World Student Community for Sustainable Development – der eigentliche Grund unserer Reise. An der Konferenz werden Forschungsarbeiten aus dem Bereich der Nachhaltigkeit präsentiert. Die Themenpalette reicht von „Kunst und ihre Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung“ über den Einfluss der Religion bis zu einem Umsiedlungsprojekt zum Schutze eines Nationalparks. Dazwischen finden auch mehrere Workshop-Sessionen statt. Zwei von unserer Student Community „project21“ entwickelte Projekte finden grossen Anklang. Im Workshop „Sustainable Universities“ werden Ideen gesammelt, um einen Forderungskatalog an die Präsidenten aller beteiligten Universitäten zu erstellen, wie sich die Unis nachhaltiger entwickeln können. Im zweiten Workshop generiert eine Gruppe, angeregt durch unseren Film über unsere Reiseerlebnisse mit der Transsibirischen Eisenbahn, Visionen, wie sie nächstes Jahr nachhaltig zum Annual Meeting in Schweden reisen könnte. Der Kreativität waren keine Grenzen gesetzt. Vom Eisbrecher für eine Schifffahrt durchs arktische Meer von Tokio nach Göteborg bis zum Velo für uns Schweizer – die Ideen sprühten. Neben diesen inhaltlichen Programmpunkten waren in unserer jungen Organisation auch strukturelle Diskussionen nötig. Unter anderem einigten wir uns darauf, unser Meeting in Zukunft auf ein gemeinsames Oberthema zu fokussieren. Nächstes Jahr wird dies „Sustainable Cities“ sein. Diesem Thema wird in unserer Student Community „project21“ im laufenden Jahr ein Schwerpunkt gewidmet.
Frühlingserwachen in Tokio Nach den anstrengenden Diskussionen schlendern wir abseits der Geschäftigkeit des japanischen Alltags gemütlich durch einen Park. Die zartrosa blühenden Kirschbäume locken auch hunderte von frühlingshungrigen Japanern nach draussen, um die lauen Temperaturen bei einem Picknick unter dem Blütenmeer zu geniessen und wie es sich für Japaner gehört, einige Fotos zu schiessen. Erst als die Sonne untergeht, brechen wir wieder auf. Die Stadt hat sich unterdessen in eine farbige, blinkende Leuchtreklame verwandelt. Im riesigen Menschenstrom lassen wir uns durch die Strassen spülen. Auf allen Seiten kämpfen flimmernde Werbespots auf Grossleinwänden um unsere Aufmerksamkeit. Glücklicherweise sind unsere japanischen Freunde dabei und führen uns zielstrebig in ein traditionelles japanisches Restaurant.
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Auch hier sitzen wir zum Essen in den Socken auf dem Boden. In der Mitte des Tisches befindet sich eine heisse Steinplatte, auf der wir Fisch und Gemüse an einer unbekannten aber feinen Sauce brutzeln lassen. Dazu gibt es natürlich auch Sake (japanischer Reiswein), den wir sowohl heiss als auch kalt serviert erhalten. Zurück im Hotel erholen wir uns von all den neuen Eindrücken bei einem typisch japanischen Bad: Eingehüllt in Yukata und Kosode, das sind der elegante japanische Bademantel und das dazugehörende Untergewand, begeben wir uns in den Badesaal. Wie es sich gehört: Weiblein und Männlein getrennt, denn gebadet wird nackt. Ein Atem raubender Dampf schlägt uns entgegen. Eine Vorwarnung auf das über 40 Grad heisse Wasser. Doch zuerst wird eine gründliche Waschprozedur durchgeführt. Erst dann tauchen wir in das für uns fast unerträglich heisse Wasser. Hochkarätiger wissenschaftlicher Austausch Im Anschluss an die Konferenz der Studenten findet das Annual Meeting der Alliance for Global Sustainability (AGS) statt. Die AGS bietet eine Plattform für Austausch und Diskussion internationaler Forschung im Bereich der Nachhaltigkeit. Gespannt lauschen wir den Vorträgen der Wissenschaftler über Projekte zu Themen wie Verkehr, Städteplanung und Klimawandel. Die Pausen bieten für uns Gelegenheit, mit Professoren aus der ganzen Welt zu diskutieren und die rund dreissig Poster zu studieren. Sabine Perch-Nilson vertritt unsere Student Community mit einem Poster über das „climate ticket“ (2), welches zu unserem Stolz zu einem der fünf Besten gekürt wird!
Und schon neigt sich unser Aufenthalt im Land der aufgehenden Sonne dem Ende zu. Leider haben wir kaum Zeit gehabt, mehr von Japan zu entdecken. Doch ein erster faszinierender Eindruck bleibt. Auf unseren Streifzügen durch die Stadt finden wir keinen einzigen achtlos weggeworfenen Schnipsel oder Zigarettenstummel, und der Zuvorkommendheit und Freundlichkeit, mit der wir hier behandelt werden, begegnet man bei uns selten. Ist es vielleicht die Enge, in der die Japaner und besonders die Menschen in Tokio nebeneinander leben müssen, die zu soviel Toleranz und Disziplin anhält? Jedenfalls lernten wir unsere japanischen Freunde als aufmerksame Gastgeber kennen.
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Literaturhinweise:
Fussnoten:
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