ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in english

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

Copyright 2000- by ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Print-Version Drucken
Publiziert: 28.03.2003 06:00
Modifizert: 28.03.2003 10:47
Mongolei, Buddhismus und Nachhaltigkeit - einAGS-Reisebericht
Nachhaltigkeit aus Tradition

Die ETH-Studierenden, die sich auf dem Weg zum AGS-Meeting in Tokio befinden, haben in der Mongolei Nachhaltigkeit aufgespürt, die in der Religion und der traditionellen Lebensweise der Bevölkerung wurzelt. Ein weiterer Reisebericht hält ihre Eindrücke und Gedanken fest.

Von Stephan Kölliker

Bis eben sind wir in der Jurte gesessen, dem traditionellen mongolischen Rundzelt, und haben uns am goldig verzierten, gusseisernen Ofen die Füsse gewärmt. Die Nacht ist kristallklar, und vor uns schimmern die schneebedeckten Hügel und Berge des Terelji-Nationalparks im Mondlicht. Mit nur rund fünfzehn Minusgraden kündet die Temperatur bereits vom Frühling. Kein Windhauch stört die Stille, und selbst beim Nachtessen haben wir uns oft in gedämpften Ton unterhalten.

Uns berührt in der Stille und Weite dieser Landschaft die buddhistische Spiritualität, die hier seit Jahrhunderten das Verhalten der Menschen untereinander und gegenüber der Natur prägt. Hier spüren wir intuitiv, was Nachhaltigkeit bedeutet: Nicht mehr aus der Natur herauszuholen, als sie uns freiwillig schenkt.

Still und weit: ein Mitglied der AGS-Reisegruppe im Terelji-Nationalpark in der Mongolei. gross

Buddhismus und Naturwissenschaft

In Analogie dazu findet sich im Buddhismus das zentrale Konzept der Gewaltlosigkeit: "ahimsa". Ahimsa heisst ganz konkret, nur das zu nehmen, was uns freiwillig gegeben wird. Gleichzeitig weist der Buddhismus ausgeprägte Parallelen zur modernen Physik und zum prozessorientierten Denken auf, da er – darin der der modernen Teilchenphysik ähnlich - die Realität letztlich als einen nicht-materiellen Fluss von Energien beschreibt. Auch das vernetzte Denken hat einen hohen Stellenwert, weil aus der Sicht des Buddhismus alle Erscheinungsformen aus einer gemeinsamen tieferen Realität hervorgehen. Dadurch sind sie miteinander verbunden und somit voneinander abhängig. So lassen sich wesentliche Parallelen zwischen westlichen naturwissenschaftlichen Konzepten und grundlegenden buddhistischen Gedanken ziehen.

Wir alle staunen über die Sorgfalt, mit der uns mitten in der verschneiten mongolischen Steppe ein Viergang-Menu aufgetischt wird. Schaut man sich die mit einfachsten Mitteln sorgfältig und liebevoll erstellten Jurten etwas genauer an, so wird man fast kein Teil daran entdecken, das sich nicht in den Kreislauf der Natur einfügt.


Nachhaltig Reisen
Ende März findet in Tokio das diesjährige Treffen der Partneruniversitäten der "Alliance for Global Sustainability" (AGS) statt. Bereits dorthin aufgemacht haben sich von ETH-Seite Studierende, die in der AGS engagiert sind. Sie reisen mit der Transsibirischen Eisenbahn, werden bei verschiedenen Aufenthalten ihrer Asienreise Fragen der Nachhaltigkeit studieren und in ETH Life laufend darüber berichten.



weitermehr

In der warmen Atmosphäre einer mongolischen Jurte lässt sich hervorragend arbeiten. gross

Das Fundament ist aus Steinen, darauf aufbauend bildet ein kreisrundes Gitter aus kreuzformig angeordneten Holzstäben die tragende Struktur der Wand. Die Dachstreben und Türen sind geschnitzt oder bunt bemalt. Das Zeltdach besteht wie die Wand aus verfilztem Tierhaar, das eine warme Atmosphäre schafft und doch atmungsakiv ist. Ist die Lebensdauer abgelaufen, verrottet alles, ohne Spuren zu hinterlassen.

In der Mitte des Daches befindet sich ein von Planen abgedecktes grosses Loch, durch das tagsüber Licht einfällt. Ein gusseiserner Ofen, ebenfalls reich verziert, strahlt eine angenehme Wärme ab. Der Rauch wird durch ein handgeschmiedetes Rohr nach oben abgeleitet.

Tiefgreifende Geistesschulung nötig

Analog zu westlichen Erkenntnissen sieht der Buddhismus die Bildung als wichtigste Grundlage für nachhaltiges Verhalten an. Im Unterschied zur westlichen Schulung, die weitgehend auf intellektuellem Lernen beruht, stützt sich der Buddhismus zusätzlich auf eine direkte Erkenntnis. Diese stark verfeinerte Wahrnehmung basiert auf dem Wunsch, der Gesamtheit aller Lebewesen nützlich zu sein, und sie wird erst durch langjähriges Training des Geistes zugänglich.

Nachdem ihre Lebensdauer abgelaufen ist, hinterlässt die traditionelle Behausung keine Spuren. gross

„Develop your heart!“

Heute morgen, vor Sonnenaufgang, bin ich auf einen der umliegenden Berge im Terelji-Nationalpark geklettert. Vor mir liegt eine unendliche, schneebedeckte Weite. Die Luft ist klar, trocken und eisig kalt. Eine vollkommene Stille liegt in allem. In dieser Umgebung wird auch der Geist klarer. Intuitiv begreift man, warum das tibetische Hochland von vielen als ein Gebiet angesehen wird, dessen spezielle Atmosphäre in der Zukunft eine bedeutende Rolle bei der Lösung wichtiger menschlicher Probleme spielen wird. Ich erinnere mich an die Jahrhunderte alten Klöster in Ulan Baatar, der mongolischen Hauptstadt. Sie wurden aus behauenem Stein und geschnitztem Holz so sorgfältig zusammengefügt, dass ihre Struktur in sich selbt ruht und dadurch bis heute intakt ist. Bruchstückhaft steigen einige Worte des Dalai Lama in mir auf: „Develop your heart ... too much energy in your country is spent for developing the mind … Develop your heart!” Möglicherweise würde sich eine nachhaltige Entwicklung tatsächlich leichter ergeben, wenn ethische und spirituelle Bereiche des Wissens gleichberechtigt neben den technisch-naturwissenschaftlichen gelehrt und weiter entwickelt würden.




Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.