Der Geist von SustainTrain

 

Acht Mitglieder der jungen Zürcher Studentenorganisation für Nachhaltige Entwicklung [project21] machten mit ihrem abenteuerlichen Thinktank-Experiment „SustainTrain“ besondere Gruppenerfahrungen. Obwohl sich die Teilnehmer anfangs kaum kannten, entwickelte sich während der 19-tägigen Landreise nach Tokio ein zusammengeschweisstes und eingespieltes Team.

 

Wir sitzen am Strand und geniessen das friedliche Rauschen des Stillen Ozeans. An diesem östlichsten Punkt feiern wir den letzten gemeinsamen Reisetag. Hinter uns liegt eine symbolreiche Zug- und Schiffreise mit Start in Zürich. Es ist Zeit für einen Rückblick auf vier Wochen faszinierender Erlebnisse und angenehmer Zusammenarbeit - und für die Suche nach den Ursprüngen unseres aussergewöhnlichen Teamgeistes.

 

 

Das „SustainTrain“-Team am Reiseziel:

Pazifischer Ozean in Kamakura bei Tokio

 

 

Interesse an Globaler Nachhaltigkeit als Ursprung des Zusammenhalts

 

Viel war es nicht, was wir voneinander wussten, als wir am 1. März in Zürich in den Zug richtung Tokyo stiegen. Sicher war nur, wer bei diesem Projekt dabei ist, ist offen für Neues, abenteuerlustig und setzt sich ein für eine nachhaltige Entwicklung.

 

Carlo Centonze: Natürlich spielten Gruppengrösse und –Mix bezüglich Studienrichtung, Alter und Geschlecht einen wichtigen Einfluss. Unterschiedliche Meinungen waren gewünscht und sorgten für interessante Diskussionen, von denen alle profitierten. Eine grössere Gruppe wäre rein praktisch gesehen unmöglich gewesen. Ausserdem hätten sich einzelne Teilnehmer nicht mehr genügend einbringen können, was die Bildung von Untergruppen begünstigt hätte. Bei uns war jeder auf seine Art wichtig, aber es war auch kein Problem, wenn sich die eine oder der andere zwischenduch zurückzog.

 

Sabine Perch-Nielsen: Ich war beeindruckt, wie reibungslos die Organisation der Reise von sich ging. Jedes Mitglied des Team kümmerte sich um eine andere Aufgabe der doch recht aufwändigen Planung - sei es eine Teilstrecke, die 4 Visa oder den Besuch der NGO "Green Cross" in Russland. Obwohl alles sehr kurzfristig organisiert werden musste und wir uns vor Abreise gar nicht kannten, funktionierte die Aufgabenaufteilung erstaunlich gut. Dies zeigt auch, wieviel Begeisterung und Motivation bei jedem einzelnen Mitglied dahintersteckte.

 

 

Vorbereitungen für das Treffen in Tokio

zu später Stunde auf der Fähre „Yanjing“ im Gelben Meer

 

 

Genug Zeit und Toleranz für die Entstehung eines kollektiven Bewusstseins

 

Faszinierende Lichtspiele in der vorbeiziehenden, winterlichen Landschaft Eurasiens, der Waggon-eigene Steinkohleofen, die engen Schlafwagenabteile und der gelegentliche Vodka sorgten für eine ganz spezielle Atmosphäre. Doch nicht nur das Ambiente war für die Bildung unseres Teamgeistes  wichtig.

 

Michel Haller: Vor Beginn der Reise wagte kaum jemand, irgendwelche Erwartungen aufzubauen. Das erwies sich als sehr gut für die Gruppe, da hierdurch die Gefahr von Enttäuschungen kaum vorhanden war. Wir alle hatten vor der langen Reise viele anderweitige Arbeiten erledigen müssen und brauchten vorerst Erholung. Schon nach kurzer Zeit hatten wir uns gegenseitig abgetastet, und es ergab sich wie von selbst ein gemeinsamer Weg, die zahlreichen Aufgaben mit Lockerheit in Angriff zu nehmen.

 

Daniel Eherer: Wir waren offen für Neues, bereit unsere Sichtweisen zu korrigieren. Wir nutzten diese Reise durch entfernte Länder, um unsere eigene Identität an den fremden Menschen, ihren Wurzeln und Kulturen zu reflektieren, und unser Wahrnehmungsfenster zu vergrössern. Die besten Diskussionen ergaben sich meist aus ungezwungenen Situationen, von denen wir auf dieser Reise ja unerschöpflich viele hatten. Für die fokussierteren Gespräche mussten wir allerdings lernen, dass oft die Rolle eines Moderators fehlte, der den Diskussionsverlauf rechtzeitig lenken und wortstarke Sprecher zugunsten eines breiteren Meinungsspektrums zurückweisen konnte.

 

Stephan Kölliker: „SustainTrain“ verkörpert für mich ein bemerkenswertes Think Tank Modell: Durch die engen Zugabteile entsteht Offenheit einander gegenüber. Die fehlende Ablenkung durch Medien oder Alltagsroutine ermöglicht Fokussierung aufs Wesentliche. Inspirierende Eindrücke von der Reise sowie die gelassene Atmosphäre, in der Zeit und Raum kaum mehr eine Rolle spielen, fördern kreative Denkprozesse – und all das kombiniert birgt ein riesiges Potenzial, um neuartige Lösungsansätze für komplexe Probleme zu entwickeln.

 

 

Zu Gast bei mongolischen Nomaden in ihrem Jurtenzelt

 

Patrick Jeannerat: Mich hat auf der gesamten Reise die Herzlichkeit und Wärme der Menschen beeindruckt. Ich glaube, dass unser Teamgeist davon enorm profitiert hat, und handkehrum auch gegen aussen einiges in Bewegung gebracht hat. In Projekten für nachhaltiges Reisen ist der gesellschaftliche Aspekt natürlich viel schwieriger zu erfassen als der ökologische. Ich bin allerdings überzeugt, dass hier noch sehr viel unentdeckte Energie vorhanden ist, um in Zukunft globale Nachhaltigkeit zu verwirklichen.

 

 

Mit geschlossener Meinung stark auftreten

 

„SustainTrain“ hat durch den Zusammenhalt der Gruppe eine Seele erhalten, die von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Nicole und Irene schildert ihre Erfahrungen.

 

Nicole Meyer: Man nehme acht Individuen unterschiedlicher Herkunft, schicke sie 19 Tage mit dem Zug quer durch Eurasien und erhalte ein Team mit einer Ausstrahlung, die selbst Aussenstehende fasziniert: ein gemeinsamer Spirit voller Tatendrang, Unternehmungslust und Motivation. Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich aus Leuten, die sich kaum kannten, eine harmonische Gruppe gebildet hat. Lange Nächte um den warmen Ofen im mongolischen Nationalpark, Stunden des Wartens an der russischen Grenze und gemütliche Abende zusammengepfercht im engen Zugsabteil gaben uns Zeit und Raum für verbindende Gespräche und Diskussionen über Themen, die im Alltagsstress zu kurz kommen. Die gemeinsamen Erlebnisse schweissen zu einem Freundeskreis zusammen.

 

Irene Steimen: Für das Jahrestreffen der World Student Community for Sustainable Development hatten wir als ETH-Delegation ambitiöse Ziele. Einerseits wollten wir massgeblich zur Strategieerarbeitung in der Organisation beitragen, und andererseits mit unserer Reise ein Beispiel setzen für konsequent nachhaltiges Verhalten. Die zahlreichen, tiefgehenden Diskussionen gaben uns das notwendige Argumentarium, um unsere mittlerweilen geschlossene Meinung mit Nachdruck zu vertreten. Es war sehr befriedigend zu erleben, wie unsere Vorschläge von der internationalen Studentengemeinschaft verarbeitet und grösstenteils aufgenommen wurden. Mit der „SustainTrain“-Idee stiessen wir auf grosse Bewunderung. Viele liessen aber auch gleich erkennen, dass so zeit- und kostenaufwendige Reisen für die meisten ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Immerhin konnten wir mit unserer Geschichte auf alternative Reisemöglichkeiten und ihre vielseitigen Werte aufmerksam machen. Ich habe mit „SustainTrain“ sehr viel gelernt und eine unvergesslich geniale Zeit genossen. Aus meiner Sicht gehören Lebensfreude und Nachhaltigkeit unbedingt zusammen.

 

 

„SustainTrain“ im Web!

 

Auf http://www.project21.ch finden Sie Informationen zu Teilnehmern, Reiseroute, Sponsoren sowie ein Fotoalbum und die Links auf die vorangegangenen „ETH Life“-Artikel.

 

Sustain-Train Shows an der ETH:

 

Am 14. Mai um 19 Uhr wird im ETH-Hauptgebäude, Saal F1, eine Film- und Diavorführung über „SustainTrain“ gehalten. Mehr Info dazu bald auf der Website von [project21]!

 

 

Patrick Jeannerat, April 2003